Oieffur and Mr. Spade

Oieffur und Mr. Spade

Du liest Oieffur und Mr. Spade 10 Minuten Weiter Stardust Shuttle: Offenbarung der ätherischen Tiefe

Der dichte Rauch hing noch immer schwer in der Luft.

Obwohl die Flammen zu Glut verglimmt und die Schreie verstummt waren, brannte der Himmel über den Ruinen von Liradale noch immer in einem matten, schmerzhaften Rot. Es war nicht die Sonne. Die Sonne war längst hinter einem Vorhang aus Asche verschwunden. Dieses Licht hingegen ging von allem aus, was übrig geblieben war – den zerstörten Gebäuden, den zerbrochenen Träumen, den ausgelöschten Menschen und ihren zersplitterten Schicksalen.

Mitten im Herzen der Stadt, zwischen verkohlten Turmskeletten und zerbrochenen Kirchenruinen, kroch ein Junge unter einem eingestürzten Balken hervor. Er war klein, vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt – eine hagere Gestalt mit hohlen Augen und rußverschmierten Gliedmaßen. Ein wirres graues Haar umrahmte ein für sein Alter zu scharf gezeichnetes Gesicht. Sein Name war Felix , doch er konnte sich nicht erinnern, dass ihn jemals jemand sanft ausgesprochen hatte.

Sein Mund schmeckte nach Rost und Asche. Zerfetzte Kleidungsfetzen hingen nur noch an seinem knochigen Körper. Ein Fuß war nackt, der andere in den Schal seiner Mutter gehüllt, der nun schwarz und so zerbrochen war wie die Welt um ihn herum.

Er weinte nicht. Seine Tränen waren längst getrocknet.

Der Krieg war ohne Vorwarnung ausgebrochen. An einem Tag war der Himmel azurblau, und auf dem Marktplatz herrschte geschäftiges Treiben. Am nächsten Tag riss der Himmel auf – als wäre er von innen heraus ausgebrütet worden – und Monster strömten hervor. Keine Bestien und keine Sterblichen: Es waren Zauberer. Ihre Umhänge waren mit Runen verziert, und Feuer tropfte von ihren Lippen. Sie sprachen eine Sprache, die Steine ​​schmelzen und die Luft zerreißen konnte.

Seine Familie hatte versucht zu fliehen, war aber nicht weit gekommen.

Er erinnerte sich daran, wie sein Vater sich über seine kleine Schwester gekuschelt hatte, als könnten Fleisch und Knochen sie vor Magie schützen. Er erinnerte sich daran, wie die Hand seiner Mutter ihm entrissen wurde, ihre Finger noch immer in der leeren Luft kratzten. Dann – eine Leere. Eine Wand aus Licht, ein Brüllen, ein Inferno. Eine endlose, sengende Hitze.

Als er Stunden oder vielleicht Tage später unter dem Balken aufwachte, war er völlig allein.

Er irrte durch die Ruinen und suchte benommen nach Brotresten. Er sah andere Überlebende – aber nur für einen Moment. Sie würden nicht lange überleben. Dann kamen die Soldaten, durchwühlten die Toten und retteten, was vom Leben noch übrig war. Felix versteckte sich in einem ausgebrannten Tempel und spähte aus den Schatten. Er wusste, dass man Bannern und Uniformen nicht trauen durfte. Er hatte am eigenen Leib erfahren, wie Magie Menschen auseinanderreißen konnte, und er wollte nichts damit zu tun haben.

Am siebten Tag, gerade als er dachte, er würde vor Hunger und Staub einfach vergehen, erschien die Gestalt.

Er kam nicht zu Pferd. Er ging, leise wie ein Flüstern, wie ein Schatten im Wind, sein langer schwarzer Mantel wehte hinter ihm her wie das Phantom einer vergessenen Gottheit. Er trug Handschuhe und polierte Stiefel, und sein Hut war tief ins Gesicht gezogen. Am auffälligsten war die Maske auf seinem Gesicht – eine schwarze Maske, geformt wie das „Pik“ eines Kartenspiels, glatt wie Obsidian, kalt wie Eis.

Felix beobachtete ihn aus der Ferne, während er auf einem zerbrochenen Brunnen stand. Der Mann neigte den Kopf, als ob er etwas spürte, und sein Blick fiel direkt auf Felix.

Felix erstarrte. Jeder Nerv in seinem Körper schrie ihn an, zu fliehen.

Doch er rührte sich nicht. Etwas hielt ihn dort fest – Neugier? Trotz? Oder vielleicht war dieser hartnäckige Funke seiner Seele noch nicht erloschen.

Der Mann winkte ihm zu.

Aus Gründen, die er nicht verstehen konnte, ging Felix auf ihn zu.


Das Erbe von Oieffur

Die Ankunft des Mannes in Schwarz, Mr. Spade, entfaltete sich wie ein stilles, aber eindringliches Tableau in Felix’ chaotischer, zerstörter Welt. Er sprach nicht, streckte nur eine in einen schwarzen Lederhandschuh gehüllte Hand mit der Handfläche nach oben aus, als wolle er ihn einladen. Felix zögerte; er hatte schon zu viel Betrug und Verrat miterlebt, doch die Augen hinter der Maske – obwohl sie durch den Spade verdeckt waren – strahlten eine uralte, ruhige Anziehungskraft aus. Schließlich streckte er eine zitternde Hand aus, seine kalten Fingerspitzen streiften das glatte Leder des Handschuhs.

In diesem Moment schien die Welt den Atem anzuhalten. Eine eigenartige Energie durchströmte Felix‘ Körper, kein heftiger Schock, sondern eine lange, tiefe Führung. Er spürte, wie sich ein warmer Strom von seiner Handfläche durch sein ganzes Wesen ausbreitete und seine kriegsvernarbte Seele reinigte. Der Mann in Schwarz führte ihn fort von den Ruinen, durch vergessene Wildnis, bis sie ein abgelegenes Tal erreichten.

Tief im Tal erhob sich ein uraltes, prächtiges Bauwerk, nicht von sterblichen Händen erbaut, sondern aus der Erde gewachsen. Jeder Stein glühte in einem schwachen Licht, durchdrungen von geheimnisvollen Runen, und die Luft summte von einem einzigartigen Duft – einer Mischung aus Kräutern, Metall und Magie. Dies war Oieffur , das legendäre alchemistische Heiligtum, von dessen Besitz jeder Alchemist der Welt träumte.

Der Mann in Schwarz führte Felix durch ein großes Tor, in das unzählige wundersame Kreaturen geschnitzt waren, und betrat eine riesige Halle. Die Wände der Halle waren mit einer Vielzahl alchemistischer Artefakte in unterschiedlichsten Formen geschmückt, von kunstvollen Schmuckstücken bis hin zu kolossalen Mechanismen. Jedes Objekt strahlte eine besondere Aura aus. Felix war erstaunt, dass diese Gegenstände nicht bloß leblose Objekte waren; sie schienen Leben zu besitzen und unerzählte Geschichten zu erzählen.

„Dies ist Oieffur“, sagte der Mann in Schwarz schließlich mit tiefer, resonanter Stimme, als käme er aus einer fernen Vergangenheit, „und es ist jetzt Ihr Zuhause.“

Er erzählte Felix, dass er der frühere Mr. Spade gewesen sei . Und Oieffur, erklärte er, sei mehr als nur ein Gebäude; es sei eine lebendige Linie, ein Erbe, das nur von Menschen mit einzigartigen Erfahrungen beansprucht werden könne, die von Oieffur selbst ausgewählt worden seien. Alchemie, erläuterte er, sei nicht nur die Verschmelzung von Magie und Materie; vielmehr erfordere sie die persönlichen Erinnerungen und das tiefe Verständnis des Alchemisten. Jede alchemistische Schöpfung sei die physische Verkörperung der Seele des Alchemisten und trage die Geschichte und die Emotionen seines Schöpfers in sich.

Felix' Kindheit war durch alchemistische Magie zerstört worden, und er war der einzige Überlebende seiner Familie. Dieses unauslöschliche Trauma erwies sich jedoch als der eigentliche Auslöser für Oieffurs Auswahl. Der Mann in Schwarz, sein Mentor, begann, ihn in die Geheimnisse der Alchemie einzuweihen. Felix entdeckte, dass es in der Alchemie nicht nur um die Synthese von Substanzen ging, sondern darum, immaterielle Gefühle und Erinnerungen in greifbare Formen zu verwandeln. Jeder Schöpfungsakt war eine Reise in die Tiefen seines eigenen Wesens, eine Neugestaltung seiner Vergangenheit. Er begann zu verstehen, dass Alchemie sowohl zerstören als auch erschaffen konnte, und beschloss, sie zu nutzen, um Objekte zu schmieden, die seine innere Welt widerspiegelten.


Der Spiegel der Begierde und das Gesicht der Wahrheit

Während seiner Jahre in Oieffur verwandelte sich Felix vom traumatisierten Jungen in einen Meisteralchemisten. Er erbte den Titel „ Mr. Spade “ und damit die einzigartige Perspektive aller vorherigen Mr. Spades. Er bereiste die Welt und sammelte seltene Materialien, doch was noch wichtiger war: Er vertiefte sich in die unzähligen Facetten menschlicher Erfahrung und ließ diese tiefgründigen Momente in seine alchemistischen Kreationen einfließen. Oieffurs große Halle füllte sich nach und nach mit seinen Werken, jedes Stück eine Kristallisation seines Weltverständnisses.

Es war jedoch ein nächtlicher Besuch, der Felix' alchemistische Philosophie wirklich revolutionierte.

Eines Nachts klopfte eine schlanke, beschwerte Gestalt an Oieffurs schwere Tür. Sie war eine Adlige, in düstere Trauerkleidung gekleidet, ihr Gesicht von einem dicken Schleier verdeckt, doch die Trauer und das Unbehagen, die sie ausstrahlte, waren deutlich spürbar. Ihre Stimme zitterte, als sie flehte: „ Mr. Spade , ich … ich brauche den ‚ Spiegel der Begierde ‘.“

Der Spiegel der Begierde war eine von Felix' früheren Schöpfungen. Gerüchten zufolge spiegelte er die tiefsten Sehnsüchte und verborgenen Geheimnisse eines Menschen wider. Felix warnte sie: „Madam, dieses Objekt wird Sie mit allen Vorwänden enttäuschen. Die Wahrheit, die es enthüllt, könnte mehr sein, als Sie ertragen können.“

Der Körper der Adligen zitterte noch heftiger, doch ihr Blick war ungewöhnlich entschlossen: „Ich möchte nur wissen … ob mein Mann mich noch geliebt hat, bevor er starb.“

Felix hielt einen Moment inne und holte dann den antiken Bronzespiegel aus einem tieferen Teil der Ausstellungshalle. Die Spiegeloberfläche leuchtete in einem schwachen, ätherischen Licht, als berge sie unzählige ungelöste Rätsel. Die Adlige nahm den Spiegel entgegen, ihre Hände zitterten, als sie ihn hochhielt, den Blick auf ihr Spiegelbild gerichtet.

Die Zeit schien stillzustehen. Felix beobachtete von der Seite, wie sich der Gesichtsausdruck der Adligen von anfänglicher Angst über Verwirrung zu einem subtil beunruhigenden Lächeln wandelte. Sie starrte lange, lange in den Spiegel der Begierde, und schließlich umspielte ein seltsames Lächeln ihre Lippen.

Felix fragte sich, was der Spiegel enthüllt hatte, das eine so komplexe Reaktion hervorrief.

Die Edelfrau streichelte sanft über die Oberfläche des Spiegels, ihre Stimme klang erleichtert: „Es war sein Gesicht.“ Sie hielt inne, und ihre Augen wurden tief und komplex. „… Aber es waren auch die Gesichter anderer Männer, vieler, vieler anderer.“

In diesem Moment stockte Felix' Herz. Er verstand. Diese Adlige suchte nicht nach Bestätigung der Liebe ihres Mannes; sie suchte im Spiegel nach ihren eigenen unausgesprochenen Wünschen – und der Wahrheit, dass sie schon lange nicht mehr nur ihren Mann liebte. Der Spiegel hatte sie nicht getäuscht; er hatte lediglich die rohesten, ungeschminkten Wünsche tief in ihrer Seele widergespiegelt.

Von dieser Nacht an erlebte Felix' alchemistische Philosophie eine tiefgreifende Wandlung. Einst hatte er geglaubt, der Gipfel der Alchemie sei die Destillation der reinen Wahrheit, die Entfernung aller Lügen. Doch die Erfahrung jener Nacht machte ihm klar, dass die Wahrheit manchmal in den ursprünglichsten Wünschen verborgen liegt. Adlige konnten ein Lächeln vortäuschen, Priester konnten beichten, Politiker konnten lügen – doch das Keuchen und Zittern zwischen den Laken, das den grundlegendsten Trieben entsprang, ließ sich nicht vortäuschen.

„Man kann Gott belügen, aber man kann nicht über die Lust lügen.“

Dieser Gedanke traf ihn wie ein Blitz. Er war besessen vom Studium der „ Lust “, da er sie für die reinste Form menschlicher Wahrheit hielt. Er beschränkte sich nicht länger darauf, Gegenstände mit verschiedenen Effekten herzustellen, sondern richtete seinen Blick auf die geheimsten, primitivsten Impulse im menschlichen Herzen. Er glaubte, dass er diese „Begierden“ durch Alchemie objektivieren und so die wahre Natur der Menschheit enthüllen könne. Jedes neue alchemistische Artefakt wurde zu einem Gefäß, das eine Geschichte der Begierde in sich trug, und Mr. Spade war derjenige, der diese Geschichten materialisierte – ein Alchemist, der die Täuschungen der Welt durchschaute, einzig und allein auf der Suche nach der primitiven Wahrheit.

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